VwGH 11.12. 2019 Ra 2019/05/0013-17
Im Zusammenhang mit einer außerordentlichen Revision hatte sich der VwGH mit der Frage auseinanderzusetzen, wann ein „Städtebauvorhaben“ iSd Anhanges 1 Z18 lit b UVP-G 2000 vorliegt.
Die Projektwerber haben gem § 3 Abs 7 UVP-G die Feststellung beantragt, für ihr Vorhaben „Projekt B.-Gasse“ bestehe keine UVP-Pflicht, da es sich um kein „Städtebauvorhaben“ iSd UVP-G handle. Es fehle an den in der FN 3a zu Anh 1 Z18 lit b genannten qualitativen Kriterien. Die Wiener Landesregierung hat in ihrem Bescheid die UVP-Pflicht verneint, vor allem mit dem Argument, dass keine Erschließungsstraßen (FN 3a) geplant seien, unter denen „nur solche Straßen für den motorisierten Individualverkehr innerhalb des Städtebauvorhabens zu verstehen sind, deren Einrichtung für die Anbindung […] erforderlich ist.“
Gegen diesen Bescheid erhoben der Revisionswerber und zahlreiche weitere Nachbarn Beschwerde an das BVwG, das die UVP-Pflicht des geplanten Vorhabens ebenfalls ablehnte. Begründet wurde die Abweisung der Beschwerde ua damit, dass - mit Ausnahme eines Bildungscampus – eine überwiegende Wohnbebauung geplant sei, daher weder eine gemischte Bebauung noch ausreichende „Multifunktionalität“ (FN 3a) vorliege.
Die erhobene außerordentliche Revision ließ der VwGH zur Klärung der Frage, wie der im Anh 1 Z18 lit b UVP-G 2000 normierte Begriff „Städtebauvorhaben“ auszulegen sei, zu.
Der VwGH kam zu dem Schluss, dass bei der Entscheidung des BVwG der unionsrechtliche Maßstab nicht eingehalten wurde, schon die massiven Überschreitungen der Schwellenwerte hätten zu einer Feststellung der UVP-Pflicht führen müssen. Des Weiteren habe das BVwG den Begriff der „Multifunktionalität“ unrichtig ausgelegt: Für die Erfüllung des Tatbestandes „Städtebauvorhaben“ genüge es, wenn die geplante Bebauung eine Wohn- und Geschäftsnutzung zulasse, was beim gegenständlichen Projekt der Fall sei. Auch das Vorliegen von „Erschließungsstraßen“ sei für die Verwirklichung des Tatbestandes „Städtebauvorhaben“ nicht maßgeblich. Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „Erschließungsstraßen“ widerspricht der VwGH der Ansicht der Wiener Landesregierung, für die sich weder in Judikatur noch in der Lehre Anhaltpunkte finden lassen. Unter diesem Begriff seien nicht ausschließlich Straßen für den motorisierten Individualverkehr innerhalb des Vorhabensgebietes zu verstehen, sondern auch Verkehrswege, die dem motorisierten Verkehr zu oder von diesem Gebiet leiten.
Der VwGH hob das Erkenntnis des BVwG als inhaltlich rechtswidrig auf.