Kompetenzrecht im Fokus: VfGH-Erkenntnis zur Abgrenzung des Eisenbahnwesens

Mit den durch Jarolim Partner erwirkten Erkenntnissen des VfGH vom 3. und 4. Oktober 2023, erfolgte eine bedeutende Klarstellung zur Abgrenzung der Bundeskompetenz im Bereich des Eisenbahnwesens. Der VfGH stellte klar, die für ein Eisenbahnbauvorhaben notwendige Verlegung oder Umgestaltung von Wasserläufen und Straßen sowie die damit verbundenen Grundinanspruchnahmen unterliegen ausschließlich der Bundeskompetenz gemäß Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG.

Im vorliegenden Fall war für die Umsetzung des gegenständlichen Eisenbahnvorhabens, für das bereits eine Trassengenehmigung nach dem HlG sowie die teilkonzentrierten Genehmigungen nach dem dritten Abschnitt des UVP-G 2000 vorlagen, die Umlegung von Wasserläufen und Straßen erforderlich. Die von der Beschwerdeführerin beantragten Abteilungen von Grundstücksteilen zur Durchführung dieser Maßnahmen wurden jedoch von der nach landesrechtlichen Bestimmungen zuständigen Behörde untersagt. Die belangte Behörde wies die Anträge mit der Begründung ab, eine Teilung sei im entsprechenden Bebauungsplan nicht vorgesehen. Das LVwG gelangte – unter abweichender Begründung - zum gleichen Ergebnis.

Der VfGH entschied, dass hierdurch das Recht der Beschwerdeführerin auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde. Das LVwG hatte eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit beansprucht, wie folgt.

Zunächst wiederholte der VfGH, die Bundeskompetenz des Eisenbahnwesens nach Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG schließt unbestrittenermaßen das Baurecht der Länder aus (vgl VfSlg 2.685/1954, 5.019/1965, 5.578/1967 usw). Uneinigkeit besteht hinsichtlich des Umfangs des Anlagenbegriffs und der Reichweite der Planung von Eisenbahnanlagen (vgl Wiederin, ZfV 2020/331 f).

Der VfGH präzisierte in weiterer Folge den Umfang der Bundeskompetenz nach Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG – umfasst sind:

  • Eisenbahnanlagen iSd § 10 EisbG (Bauten mit einem spezifisch unauflöslichen Zusammenhang zwischen Bauvorhaben und Abwicklung sowie Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder -verkehrs) und
  • nicht nur die Planung der Eisenbahnanlage (als vorausschauende Tätigkeit),
  • sondern auch die Planung solcher Maßnahmen, die ausschließlich der Herstellung der Eisenbahnanlage dienen, ohne selbst Eisenbahnanlagen zu sein.

Er subsumierte die Verlegung des Baches sowie der Straße als Planung einer Maßnahme, die ausschließlich der Herstellung der Eisenbahnanlage dient, ohne selbst eine solche zu sein.  In einem derartigen Fall wären ausschließlich bundesrechtliche Bestimmungen einschlägig. Als Beispiel dafür, wie dies gesetzlich ausgestaltet bzw durchzuführen ist, nannte der VfGH das eisenbahnrechtliche Enteignungsrecht.

Das Enteignungsrecht ist ausschließlich in eisenbahnrechtlichen Vorschriften normiert (vgl § 35 EisbG), weshalb die Grundinanspruchnahme für Zwecke des Eisenbahnbaus ebenfalls ausschließlich nach bundesrechtlichen Vorgaben zu beurteilen ist, unabhängig davon, ob auf der Fläche eine Eisenbahnanlage errichtet werden soll, oder sie der Verwirklichung einer Begleitmaßnahme dient (§ 2 EisbG). Bei notwendigen Grundstücksabtretungen ist die Grundstücksteilungen nach landesrechtlichen Vorschriften irrelevant. Es ist unerheblich, ob hinsichtlich der jeweiligen Grundfläche tatsächlich eine Enteignung stattgefunden hat. Vielmehr ist es ausreichend, dass die Grundfläche zur Herstellung oder zum Betrieb einer Eisenbahnanlage notwendig ist. Die Notwendigkeit ergibt sich aus der UVP-Genehmigung (vgl § 24f Abs 10 UVP-G).

Umgelegt auf den Ausgangssachverhalt gelangt der VfGH zu dem Ergebnis, dass es dem Landesgesetzgeber nicht zustand, die Grundinanspruchnahme bzw die dafür erforderliche Grundstücksteilung für die für die Eisenbahnanlage notwendige Verlegung oder Umgestaltung von Wasserläufen einer (baubehördlichen) Bewilligungspflicht zu unterwerfen.

Die Klarstellung zur Abgrenzung der Kompetenzen im Bereich des Baurechts war im Hinblick auf die Reichweite der planenden Maßnahmen, die ausschließlich der Herstellung der Eisenbahnanlage dienen, ohne selbst Eisenbahnanlagen zu sein, von großer Bedeutung.

Die dringende Klärung der Kompetenzabgrenzung zwischen der Fachplanungskompetenz des Bundes im Eisenbahnwesen und der naturschutzrechtlichen Landeskompetenz, die nicht, wie das Baurecht, ausgeschlossen wird, sondern neben der Bundeskompetenz bestehen bleibt, steht noch aus (Stichwort: naturschutzrechtliche Alternativenprüfung) und wird mit Spannung erwartet.

VfGH vom 3.10.2023, E 977/2022-27

VfGH vom 4.10.2023, E 610/2022-19

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