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Entscheidungen aus Zivilrecht und Arbeitsrecht - Ausgabe 5

Auch die aktuelle Ausgabe des Newsletters enthält wieder aktuelle Entscheidungen aus dem Zivilrecht und Arbeitsrecht.
So stellen wir in dieser Ausgabe eine Entscheidung vor, in der sich der OGH mit der Frage befasst, ob ein Arzt bei zwei alternativen Behandlungsmethoden verpflichtet ist, über die Vor- und Nachteile zwischen den Behandlungsmethoden aufzuklären. Weiters erörtern wir auch die höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage, ob das Verschweigen von Innenprovisionen den Anlageberater schadenersatzpflichtig macht und – falls ja – unter welchen Voraussetzungen.
Im Bereich des Arbeitsrechts präsentieren wir unter anderem ein Judikat des Höchstgerichts, in der dieser die Frage erörtert, ob eine Kündigung wegen häufigen Telefonierens während der Dienstzeit zulässig ist.  

ZIVILRECHTLICHE ENTSCHEIDUNGEN

  1. Ärztliche Aufklärung über verschiedene Behandlungsmethoden setzt eine echte Wahlmöglichkeit des Patienten voraus
    OGH vom 28.3.2017, 8 Ob 27/17d 
  2. Anlageberaterhaftung - Verschweigen von Innenprovisionen
    OGH vom 27.4.2017, 2 Ob 99/16x  
  3. Mögliches Mitverschulden einer fahrzeuglenkerin wegen Fahrens unter Medikamenteneinfluss
    OGH vom 20.6.2017, 2 Ob 117/16v 
  4. Erklärungsfiktion zulasten von Verbrauchern
    OGH vom 14.6.2017, 7 Ob 52/17y


ARBEITSRECHTLICHE ENTSCHEIDUNGEN

  1. Häufige Privattelefonate vor Kunden - personenbedingte Kündigung
    OLG Wien vom 22.3.2017, 9 Ra 11/17d
  2. Überhöhte Krankenstände als Kündiungsgrund - keine Sozialwidrigkeit
    OLG Wien vom 19.12.2016, 9 Ra 144/16m
  3. Zu erwartende Arbeitslosigkeit von maximal neun Monaten - keine Sozialwidrigkeit
    OLG Wien vom 25.1.2017, 10 Ra 131/16g
  4. Maßnahmen ohne Schikaneabsicht - kein Mobbing
    OGH vom 24.3.2017, 9 ObA 32/17x
  5. Kündigung wegen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nach Betriebsübergang
    OGH vom 24.3.2017, 9 ObA 25/17t

H I N W E I S
Dieser Newsletter beinhaltet lediglich Kurzzusammenfassungen, die keinen Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit erheben. Dieser Newsletter dient als Serviceleistung und generelle Information über aktuelle höchstgerichtliche Entscheidungen. Dieser Newsletter ersetzt weder die eigenständige Lektüre der zitierten Entscheidungen noch eine individuelle Rechtsberatung. Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH haftet weder für Fehler im Newsletter noch für nachteilige und/oder unrichtige Schlüsse, die aus seinem Inhalt gezogen werden.


 

I. Z I V I L R E C H T L I C H E  E N T S C H E I D U N G E N

 

1.    Ärztliche Aufklärung über verschiedene Behandlungsmethoden setzt eine echte Wahlmöglichkeit des Patienten voraus
OGH 28.3.2017, 8 Ob 27/17d

Themenschwerpunkt: Aufklärungspflichten der Ärzte 

In der vorliegenden Entscheidung befasst sich der OGH mit der Fragestellung, ob ein Arzt bei echter Wahlmöglichkeit zwischen zwei Therapien des Patienten über die Vor- und Nachteile zwischen den Behandlungsalternativen aufklären muss.  
Im vorliegenden Fall brachte die Klägerin vor, dass sie über die Vor- und Nachteile zwischen einer konservativen Therapie und einer Operation nach einem Bandscheibenvorfall von ihrem behandelnden Arzt nicht aufgeklärt worden sei. Eine solche Aufklärungspflicht hätte aber bestanden, weil es sich um alternative gleichwertige Behandlungsmethoden handle. Bei Kenntnis der Erfolgsaussichten und Risiken der beiden Alternativen hätte sie die konservative Therapie fortgesetzt. Da sie ihr Arzt aber darüber nicht informiert habe, habe sie sich zur Operation entschlossen.
Der mit dieser Rechtssache betraute OGH führte diesbezüglich Folgendes aus: Als Grundlage der Haftung des Arztes aufgrund von Verletzung der Aufklärungspflicht ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten über den Eingriff in die körperliche Integrität einschlägig. Die entsprechende Aufklärung durch einen Arzt wird bei der Entscheidung über die Einwilligung vorausgesetzt. Die Pflicht zur Aufklärung besteht aber nur dann, wenn gleichwertige Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten und Risiken vorliegen. In diesem Fall sind vom Arzt die Vor- und Nachteile  gemeinsam mit dem Patienten abzuwägen.
Bereits die Vorinstanzen stellten gegenständlich jedoch fest, dass die Klägerin unter therapieresistenten Beschwerden leidet und eine konservative Therapie höchstwahrscheinlich scheitern würde. Bevor sie sich zu der Operation entschloss, hatte sie sich mit einer Nervenwurzelblockade und einer analgetisch-symptomatischen Therapie behandeln lassen. Außerdem erhielt sie von einer Privatklinik „anhaltende starke Beschwerden und Therapieresistenz auf intensive konservative Maßnahmen“ als Diagnose. Die klagende Partei hatte bereits beim ersten Aufeinandertreffen mit der operierenden Ärztin einen fest gefassten Operationswunsch. Abgesehen davon wurde erstinstanzlich festgestellt, dass die Klägerin die Operation auch hätte durchführen lassen, wenn sie ausreichend aufgeklärt worden wäre, weil sie sich eine rasche Veränderung ihrer Situation wünschte.

Im Hinblick darauf, dass somit eine echte Wahlmöglichkeit zwischen den Behandlungen nicht bestand und die Klägerin bereits zuvor ihren Operationswunsch gegenüber dem Arzt äußerte, wies auch der OGH die Klage letztinstanzlich zurück.

 

2.    Anlageberaterhaftung - Verschweigen von Innenprovisionen
OGH 27.4.2017, 2 Ob 99/16x

Themenschwerpunkt: Anlegerberatungshaftung, Aufklärungspflicht Provisionen 

In diesem Judikat beschäftigt sich der OGH mit der Frage, ob der Anlageberater den Anleger auf Vertriebsprovisionen hinzuweisen hat, wenn dieser nicht damit rechnen musste. 
Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, zeichnete im gegenständlichen Fall von 2004 bis 2006 auf Empfehlung eines Mitarbeiters der beklagten Bank Kommanditbeteiligungen an deutschen Kommanditgesellschaften („Holland-Fonds“). In den Anlegerprofilen, welche die Klägerin unterzeichnete, wurde unter anderem auf eine Pflicht zur Rückzahlung von Ausschüttungen hingewiesen, wenn dadurch das Kapitalkonto negativ werden würde. Diese Hinweise las sich die Klägerin vor Unterzeichnung nicht durch. Sie führte mit dem Berater Verhandlungen über die Höhe des der Beklagten zufließenden Ausgabeaufschlags (Agio) und vereinbarte mit diesem eine Reduktion von 5% auf 3,5%. Neben diesem Agio erhielt die Bank von der Produktemittentin Provisionen zwischen 3 und 4,5%. Darüber, dass die beklagte Bank neben dem Agio zusätzliche Provisionen erhält, wurde die Klägerin vom Berater allerdings nicht in Kenntnis gesetzt. Hätte sie nämlich davon gewusst, so hätte sie die Beteiligungen erst gar nicht erworben. Die Klägerin begehrte daraufhin die Rückzahlung des investierten Kapitals aus dem Titel des Schadenersatzes (unter anderem) mit der Begründung, dass sie nicht über die Provisionen aufgeklärt worden sei.
Der OGH führte in seiner Entscheidung diesbezüglich Folgendes aus: Vertriebsprovisionen bergen grundsätzlich die Gefahr eines Interessenskonflikts auf Seiten des Anlageberaters. Erhält ein Anlageberater von einem Dritten eine Provision, so hat er den Anleger auf diesen Umstand hinzuweisen, sofern dieser nicht mit solchen Zahlungen und der damit verbundenen Gefahr einer Interessenkollision rechnen musste.
Kommt es in diesem Zusammenhang zu einer Pflichtverletzung (dh verschweigt der Berater den Erhalt von Provisionen), so begründet dies den Anspruch auf Schadenersatz. Entscheidend ist für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs wegen des Verschweigens von Provisionen, dass diese zu einer Interessenkollision beim Berater geführt haben müssen. Aus diesem Grund steht der Klägerin – so das Höchstgericht weiter – grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch zu. Es müsste aber gegenständlich noch von den Vorinstanzen geprüft werden, ob tatsächlich wegen der Provisionen ein Interessenskonflikt bestand.
Weiters hat das Höchstgericht auch die Frage geprüft, ob der Schadenersatzanspruch wegen der unterlassenen Aufklärung der Provisionen bereits verjährt ist. In Anlegerhaftungsfällen ist die Verjährung für jeden Beratungsfehler getrennt zu prüfen, wenn bei mehreren spezifischen Risiken jeweils eine gesonderte Verletzung von Aufklärungspflichten in Erwägung gezogen werden kann. Im gegenständlichen Fall hat die Klägerin erst im Jahr 2012 von den Innenprovisionen erfahren. Das Verschweigen der Provisionen ist von den behaupteten unterbliebenen Informationen über den Inhalt der Veranlagung völlig unabhängig zu werten, weshalb dies auch eine eigenständige Verjährungsfrist auslöst. Erst mit Kenntnisnahme der Innenprovisionen begann sohin die Verjährungsfrist für diesen Beratungsfehler zu laufen.
Weiters führt das Höchstgericht noch aus, dass sich die Klägerin ein gleichgeteiltes Mitverschulden anrechnen lassen muss, weil sie die Risikohinweise nicht gelesen hat. Dies ist angesichts der wirtschaftlichen und rechtlichen Erfahrung der Klägerin als Rechtsanwältin als grobe Sorglosigkeit zu werten.

3.    Mögliches Mitverschulden einer Fahrzeuglenkerin wegen Fahrens unter Medikamenteneinfluss
OGH 20.6.2017, 2 Ob 117/16v


Themenschwerpunkt: Schadenersatz, Mitverschulden 

Das vorliegende Judikat setzt sich mit der Frage des Mitverschuldens aufgrund von Medikamenteneinnahme und deren beeinträchtigender Wirkung auf einen Fahrzeuglenker auseinander.
Die Klägerin ist eine an Morbus Parkinson erkrankte, 1939 geborene Frau, welche medikamentös behandelt wird. Beklagte Parteien sind die Lenkerin des Beklagtenunfallfahrzeuges (Erstbeklagte), der Halter dieses Fahrzeuges (Zweitbeklagter) und die Haftpflichtversicherung (Drittbeklagte). Die Erstbeklagte fuhr zum Unfallzeitpunkt rückwärts aus einer Garage, wobei deren Sicht aufgrund von parkenden Fahrzeugen verdeckt war. Auch die Klägerin hatte keine Sicht auf die Garagenausfahrt und den Einfahrbereich der beklagten Partei. Durch die Vorrangverletzung der Beklagten kam es zu einem Streifkontakt der beiden streitgegenständlichen Fahrzeuge, wobei die Klägerin nicht verletzt wurde und die Schäden an beiden PKWs nur geringfügig waren. Durch das Kollisionsgeräusch erschrak die Klägerin und verriss das Lenkrad. Außerdem beschleunigte sie anstatt zu bremsen und verlor dadurch die Kontrolle über ihr Fahrzeug. Das Klagsfahrzeug kollidierte sodann mit einem Baum, die Klägerin erlitt mehrere Verletzungen; am Klagsfahrzeug entstand ein Totalschaden. Die Klägerin begehrt nun Schadenersatz und bringt unter anderem vor, dass die Erstbeklagte das Klagsfahrzeug rechtzeitig erkennen und darauf reagieren hätte müssen. Die Beklagten wendeten dagegen ein, dass die Klägerin am Zustandekommen des Unfalls das Alleinverschulden trifft. Dies deshalb, weil ihre Fahrtüchtigkeit durch medikamentöse Behandlung eingeschränkt und deshalb nicht in der Lage war, beabsichtigte Handlungen tatsächlich umzusetzen.
Das Erst- wie auch das Berufungsgericht stellten fest, dass die Klägerin ihre eingeschränkte Fahrtüchtigkeit nicht leicht erkennen hätte können, sie darüber nicht einmal von ihrem Arzt informiert worden ist und auch am Beipackzettel nicht ausreichend über die Nebenwirkungen belehrt worden sei. Aus diesem Grund sei der Klägerin daher auch kein Alleinverschulden am gegenständlichen Unfall vorzuwerfen. Allerdings habe sich die Klägerin ein Mitverschulden von einem Drittel anzurechnen, weil im Hinblick auf die Sekundärkollision das Verhalten der Klägerin (Gasgeben statt Bremsen) einem Durchschnittslenker keinesfalls passiert wäre. Es bestehe, so die Vorinstanzen weiter, ein kausaler Zusammenhang zwischen der eingeschränkten Fahrtüchtigkeit und der Fehlreaktion der klagenden Partei.
Der mit dieser Rechtssache betraute OGH kam zu einer gegenteiligen Auffassung als die Vorinstanzen. Hinsichtlich des Zustandekommens der Sekundärkollision trifft die Klägerin nach Ansicht des Höchstgerichts das Alleinverschulden, weil diese ohne die Schreckreaktion und den dadurch begangenen Fahrfehler nicht entstanden wäre. Ein Verschulden am Zustandekommen dieser Sekundärkollision würde die Klägerin nur dann nicht treffen, wenn das Ereignis plötzlich und unerwartet auftritt und überstürztes Handeln notwendig ist. Jeder Verkehrsteilnehmer muss jedoch fähig sein, gefahrabwendende Maßnahmen setzen zu können. Der Kontrollverlust zählt hier nicht mehr zu den entschuldbaren Fahrfehlern. An einem Alleinverschulden der Klägerin am Unfall ändert auch ihr Vorbringen, wonach sie aufgrund einer medikamentösen Behandlung nur eingeschränkt fahrtüchtig gewesen sei, nichts. Der OGH führt hierzu aus, dass die Klägerin die Gebrauchsinformation lesen bzw diese mit ihrer Ärztin besprechen hätte müssen. Der kausale Zusammenhang wird hier jedoch durchbrochen. Selbst wenn die Klägerin ihrer Erkundigungspflicht nachgekommen wäre, hätte ihr ihre Vertrauensärztin, den Feststellungen nach, uneingeschränkte Fahrtüchtigkeit attestiert. Auf dieses Attest hätte die Klägerin vertrauen dürfen. Diese Feststellungen wurden in der Berufung von der Beklagten bekämpft, vom Berufungsgericht jedoch nicht als relevant erachtet und deshalb nicht rechtlich beurteilt. Der OGH stellte fest, dass die Beweisrüge aufgrund der Erkundigungspflicht der Klägerin rechtlich noch zu beurteilen ist.

 

4.    Erklärungsfiktion zulasten von Verbrauchern

OGH 14.6.2017, 7 Ob 52/17y

Themenschwerpunkt: Verbraucherrecht, AGB-Recht, Erklärungsfiktion 

Beklagte Partei ist eine österreichische Versicherungsgesellschaft. Ihren abgeschlossenen Unfallversicherungen legte die Beklagte ihre Allgemeinen Bedingungen für die Unfallvorsorge zugrunde. Darin war eine Klausel enthalten, wonach sich der Vertrag jeweils um ein Jahr verlängert, wenn die vereinbarte Versicherungsdauer mindestens ein Jahr beträgt und nicht ein Monat vor Ablauf gekündigt wird.
Der Kläger klagte diesbezüglich die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel in Versicherungsverträgen mit Verbrauchern. Er beruft sich darauf, dass diese Klausel gegen die §§ 6 Abs 1 Z 2 und 6 Abs 3 KSchG verstoßen würden. Nach § 6 Abs 1 Z 2 KSchG sind Klauseln, nach denen ein bestimmtes Verhalten des Verbrauchers als (Nicht-) Abgabe einer Erklärung gilt, jedenfalls unverbindlich, es sei denn, der Verbraucher wird bei Beginn der hierfür vorgesehenen Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen und hat zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eine angemessene Frist. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in ABG oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unverständlich abgefasst ist.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren des Klägers zur Gänze statt. Nach Ansicht des Erstgerichts muss die Vereinbarung einer Erklärungsfiktion, damit diese als zulässig und mit dem KSchG als vereinbar anzusehen ist, folgende Voraussetzungen erfüllen: Zum einen muss der Vertrag eine Frist für die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung vorsehen. Zum anderen ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher zu Beginn der Frist auf die Bedeutung seines jeweiligen Verhaltens gesondert hinzuweisen.In diesem Fall wurde der Verbraucher zu Beginn der Frist vom Unternehmer nicht auf die Bedeutung seines Verhaltens hingewiesen und ist daher die Klausel gemäß § 6 Abs 1 Z 2 KSchG unwirksam.

Das Berufungsgericht schloss sich der Meinung des Erstgerichts an und bestätigte dessen Urteil. Demnach enthält die besagte Klausel zwar die Möglichkeit eines Widerspruchs in Form der Kündigung, jedoch sieht sie keine Verpflichtung des Unternehmers vor, bei Beginn der einmonatigen Kündigungsfrist den Verbraucher über sein Recht auf Kündigung gesondert zu informieren. Auch über die Bedeutung von Schweigen wird keine Auskunft gegeben.

Gegen dieses Urteil brachte die Beklagte Revision beim OGH ein. Inhalt des Revisionsbegehrens war die Frage, ob die in § 6 Abs 1 Z 2 KSchG vorgesehene Hinweispflicht in die gegenständliche Klausel aufzunehmen ist. Diesbezüglich hielt der OGH fest, dass in Judikatur und Lehre die Ansicht vertreten wird, dass sich der Unternehmer bereits in einer AGB-Klausel dazu bekennen muss, bei Beginn der Widerspruchsfrist den Verbraucher auf die Bedeutung eines allfälligen Schweigens hinzuweisen. Demnach ist die gegenständliche Klausel unwirksam, da sie nicht die in § 6 Abs 1 Z 2 KSchG verankerte Hinweispflicht enthält. Außerdem verstößt sie auch gegen das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG. Dies deshalb, weil der Verbraucher ohne Aufnahme der Hinweispflicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird, zumal er beim Lesen der Klausel meinen könnte, den Kündigungszeitpunkt bereits versäumt zu haben.

 

II. A R B E I T S R E C H T L I C H E  E N T S C H E I D U N G E N


1.    Häufige Privattelefonate vor Kunden - personenbedingte Kündigung
OLG Wien 22.3.2017, 9 Ra 11/17d

Themenschwerpunkt: Kündigung, Sozialwidrigkeit

Dieses Judikat setzt sich mit der Frage auseinander, ob häufiges privates Telefonieren betriebliche Interessen nachteilig berühren und eine Kündigung des Arbeitnehmers aus diesem Grund zulässig ist.
Die Klägerin war bei einer Interessensvertretung in der Erstinformation an einem Schalter mit direktem Kundenkontakt tätig. Die private Nutzung von Telekommunikationsmitteln war nur für notwendige Telefonate mit dem Ehepartner oder den Kindern im Ausmaß von etwa ein bis zwei kurzen Gesprächen pro Arbeitstag erlaubt. Grundsätzlich galt, dass ein sichtbares Nutzen des Telefons vor Kunden während der Arbeitszeit am Schalter untersagt war.

Die Klägerin kam dem mehrmaligen Ermahnen durch ihren Vorgesetzten, die private Nutzung von Telekommunikationsdiensten zu unterlassen, nicht nach. Die private Nutzung während der Arbeitszeit führte sogar zu mehrmaligem Nichtabheben des Diensttelefons, lautstarken Privatgesprächen, fehlerhaften Terminbuchungen und einer generellen Belastung der Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern. Hinzu kam, dass die Klägerin einem Dritten ermöglichte, bei Kundengesprächen mitzuhören, was gegen die zu Beginn des Dienstverhältnisses ausdrücklich vereinbarte Wahrung des Datengeheimnisses verstieß.

Die Klägerin hat die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit angefochten.
Das OLG hielt in seiner Entscheidung fest, dass aufgrund des Kündigungsschutzes bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Kündigung eine Interessensabwägung vorgenommen werden muss, wenn durch die Kündigung wesentliche Interessen des gekündigten Arbeitnehmers beeinträchtigt sind und andererseits in der Person des Arbeitnehmers liegende Umstände betriebliche Interessen nachteilig berühren. Im Zuge dessen erwog das OLG bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit Folgendes: Die Klägerin hätte nach Wiedererlangen ihres Arbeitsplatzes eine spürbare Einkommensverschlechterung hinnehmen müssen und sie träfen Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder. Dem stand gegenüber, dass die Klägerin nach dem Ausspruch der Kündigung aufgrund ihres 33. Lebensjahres nicht von einer längerfristigen Arbeitslosigkeit betroffen wäre und ihr Fehlverhalten in der Arbeitszeit einen wesentlichen Verstoß gegen ihre Dienstpflichten darstellte.
Ausgehend von dieser Interessensabwägung kam das OLG zum Ergebnis, dass die Interessensabwägung zu Gunsten des Arbeitgebers ausfällt, sodass die Kündigung für zulässig und somit rechtswirksam zu erklären war.


2.    Überhöhte Krankenstände als Kündigungsgrund - keine Sozialwidrigkeit
OLG Wien 19.12.2016, 9 Ra 144/16m

Themenschwerpunkt: Kündigung wegen Sozialwidrigkeit iZm Krankenstände

In dieser Entscheidung des OLG Wien begehrte die Klägerin die Unwirksamerklärung ihrer Kündigung aufgrund von Sozialwidrigkeit.
Zuvor wurde das Dienstverhältnis der Klägerin nach rund 23-jähriger Dienstzeit im Jahr 2015 von Seiten des Arbeitsgebers gekündigt. Die Kündigung wurde damit begründet, dass die Klägerin im Zeitraum von 2008 bis 2015 an insgesamt 736 Tagen durch Krankenstände oder Arztbesuche arbeitsunfähig war.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und kam zum Ergebnis, dass die Kündigung durch personenbezogene Gründe gerechtfertigt sei.

Auch das Berufungsgericht schloss sich der Ansicht des Erstgerichts an. Das Berufungsgericht führte diesbezüglich Folgendes aus: Kommen demnach überhöhte Krankenstände als Kündigungsrechtfertigungsgrund in Betracht, so ist es die Pflicht des Arbeitsgebers eine entsprechende Zukunftsprognose über die weitere Arbeitsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers zu erstellen. Dabei ist darauf abzustellen, ob ein verständiger und sorgfältiger Arbeitgeber bei objektiver Betrachtung berechtigterweise davon ausgehen kann, dass beim Arbeitnehmer auch in Zukunft mit Krankenständen in erhöhtem Ausmaß zu rechnen ist. Im vorliegenden Fall waren die Krankenstände der Klägerin nicht das Resultat eines speziellen Grundleidens, sondern übliche Erkrankungen wie Verkühlung und Folgen von Sportverletzungen. Der Arbeitgeber durfte davon ausgehen, dass diese über Jahre hinweg häufig auftretenden Krankenstände auch in Zukunft anhalten werden, auch wenn sie gerade nicht auf ein spezielles Grundleiden der Klägerin zurückzuführen sind. Die Kündigung war aufgrund wiederholter, lang andauernder Krankenstände trotz Fehlens eines Grundleidens daher gerechtfertigt.

 

3.    Zu erwartende Arbeitslosigkeit von maximal neun Monaten – keine Sozialwidrigkeit
OLG Wien 25.1.2017, 10 Ra 131/16g

Themenschwerpunkt: §105 Abs3 Z2 ArbVG, Sozialwidrigkeit

In der vorliegenden Entscheidung befasst sich das OLG mit der Frage der Sozialwidrigkeit bei einer zu erwartenden Arbeitslosigkeit von maximal neun Monaten.
Die klagende Partei behauptet die Unzulässigkeit der Kündigung seitens des Arbeitgebers mit der Begründung der Sozialwidrigkeit aufgrund der schlechten Chancen, die er am Arbeitsmarkt habe. Das Erstgericht teilte diese Ansicht nicht und wies die Klage ab.
Der Kläger bringt in seiner Berufung vor, dass er eine voraussichtliche Arbeitslosigkeit für einen Zeitraum von drei bis acht Monaten als gerade noch zumutbar erachte, bei ihm jedoch dieser Zeitraum bis zu neun Monaten betragen werde. Da ihn dazu noch eine Sorgepflicht für einen siebenjährigen Sohn träfe und der vorübergehende Einkommensverlust in Höhe von bis zu 15% betragen werde, läge eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung vor und somit eine sozial ungerechtfertigte Kündigung.

Auch das OLG Wien weist, in zweiter Instanz, die Kündigungsanfechtungsklage mit folgender Begründung ab:
Die Judikatur geht bei der Arbeitssuche üblicherweise von einem Zeitraum von drei bis acht Monaten aus. Auch wenn der vom Kläger zu erwartende Zeitraum der Arbeitslosigkeit drei bis neun Monate beträgt und somit den von der Judikatur angenommenen durchschnittlichen Rahmen geringfügig übersteigt, betont das Gericht, dass es sich bei den laut Gutachten festgestellten neun Monaten lediglich um eine Obergrenze handelt. Die durchschnittlich zu erwartende Arbeitslosigkeit beträgt laut dem Sachverständigen lediglich sechs Monate. Im vorliegenden Fall sei deshalb noch von keiner wesentlichen Interessenbeeinträchtigung auszugehen.

Außerdem stellt das OLG fest, dass unter Berücksichtigung sämtlicher wirtschaftlichen und sozialen Umstände für die klagende Partei, trotz seiner Sorgfaltspflicht, keine erheblichen sozialen Nachteile entstehen, die über jene Interessenbeeinträchtigung hinausgehen, die bei jeder Kündigung entsteht. Dieses Ergebnis kommt in Anbetracht der nicht übermäßig langen Beschäftigungsdauer von sieben Jahren, des verhältnismäßig jungen Alters der klagenden Partei von 38 Jahren zum Zeitpunkt der Kündigung und der zu erwartenden Einkommenseinbuße von lediglich bis zu 15% zustande. Anzumerken sei dabei, dass die Judikatur erst bei Einkommenseinbußen ab 20% von einem Hinweis auf gewichtige soziale Nachteile ausgeht. Das OLG qualifiziert die Kündigung somit als nicht sozialwidrig.

 

4.    Maßnahmen ohne Schikaneabsicht - kein Mobbing
OGH 24.3.2017, 9 ObA 32/17x

Themenschwerpunkt: § 1157 ABGB, Mobbing

In der vorliegenden Entscheidung befasst sich der OGH näher mit dem Begriff des „Mobbings“.
Unter Mobbing wird grundsätzlich eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter KollegInnen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.

Für Mobbing ist das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen über einen längeren Zeitraum typisch, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen, Rufschädigung etc. Die Beurteilung, ob Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz als Mobbing anzusehen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass die gegen den Kläger gerichteten Maßnahmen nicht dazu gedacht waren, diesen zu diskriminieren oder zu schikanieren. Auch aus den einzelnen Vorfällen hat sich kein nach den Gesamtumständen unsachliches Vorgehen des Arbeitgebers ergeben. Dem Arbeitsgeber konnte daher keine Schikaneabsicht nachgewiesen werden. Die Vorinstanzen haben demnach bereits kein Schadenersatzanspruch begründendes Verschulden des Arbeitgebers feststellen können. Dieser Ansicht schloss sich somit auch das Höchstgericht an. 

 

5.    Kündigung wegen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nach Betriebsübergang
OGH 24.3.2017, 9 ObA 25/17t


Themenschwerpunkt: Kündigung, Betriebsübergang

In der vorliegenden Entscheidung setzt sich der OGH mit der Frage auseinander, ob die Kündigung der Klägerin wegen des Betriebsüberganges erfolgte oder auf andere Umstände, insbesondere auf persönliche Motive des Arbeitsnehmers, zurückzuführen war.

Vorausgehend stellte das Erstgericht fest, dass die Klägerin ihr Dienstverhältnis bei der Beklagten ursprünglich bis zu ihrem 61. Geburtstag aufrechterhalten wollte. Auf dieses Dienstverhältnis war der Zusatz Kollektivvertrag „Einsparungspaket“ anzuwenden. Ein bevorstehender Betriebsübergang und die damit verbundenen Verschlechterungen der Arbeits- und Entgeltbedingungen veranlassten die Klägerin jedoch zu einer vorzeitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und der Inanspruchnahme der ASVG-Pension. Die Klägerin machte somit von der Möglichkeit der privilegierten Dienstnehmerkündigung gemäß § 3 Abs 5 AVRAG Gebrauch. In weiterer Folge bezahlte die Beklagte der Klägerin die um den Krisenbeitrag gekürzte Abfertigung. Diese begehrte danach die Differenz zu jenem Abfertigungsbetrag, welcher sich ohne Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Entgeltreduktion ergeben würde. Aufgrund der Kündigung gemäß § 3 Abs 5 AVRAG würden ihr alle Beendigungsansprüche wie bei einer objektiv betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung zustehen. Die Beklagte habe jedoch einen Krisenbeitrag vom Bruttogehalt abgezogen. Gegenstand der Klage ist also der Anspruch auf die Differenz zu jenem Abfertigungsbetrag, der sich ohne Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Entgeltreduktion ergeben würde.

Die Beklagte unterstellte der Klägerin hingegen als Kündigungsmotiv die Inanspruchnahme der gesetzlichen Alterspension. Die Klägerin habe selbst entschieden, ihr Dienstverhältnis zu kündigen, und sei eine objektiv betriebsbedingte Kündigung im Sinne des Zusatz-KV daher nicht gegeben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin Anspruch auf eine Abfertigung ohne Abzug des Krisenbeitrags habe. Auch das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Die privilegierte Dienstnehmerkündigung nach § 3 Abs 5 AVRAG sei dem Arbeitgeber zuzurechnen.
Der in weiterer Folge mit dieser Rechtssache befasste OGH folgte – übereinstimmend mit den Entscheidungen der Vorinstanzen - der Ansicht, dass die Kündigung der Klägerin objektiv betriebsbedingt erfolgt ist, auch wenn sie in ihrem Kündigungsschreiben nicht auf die zukünftigen Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen hingewiesen hat. 
 
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