Der Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden VwGH) hat am 16. Juni 2024, Ra 2023/03/0140, eine richtungsweisende Klarstellung zur Frage getroffen, wie genehmigungsfreie Teile in den Antrag auf Erteilung einer eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung einzubeziehen sind.
Ausgangslage: Die mitbeteiligte Partei hatte eine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung und Betriebsbewilligung für die Inbetriebnahme des Bauvorhabens für den Umbau des Bahnhofs Messendorf, inklusive der Errichtung eines elektronischen Stellwerks (im Folgenden ESTW) und der Adaptierung der Haltestelle Raaba, beantragt. Das Zentral-Arbeitsinspektorat (im Folgenden VAI) erhob Beschwerde gegen den behördlichen Genehmigungsbescheid mit der Begründung, das ESTW sei nach § 36 Abs 3 Eisenbahngesetz 1957 (im Folgenden EisbG) bewilligungsfrei, daher sei die Bewilligung zurückzuweisen gewesen; in eventu entspräche es nicht dem Stand der Technik und die Unterlagen seien gem § 92 Abs 3 Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) nicht beurteilbar. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde ab, woraufhin eine außerordentliche Revision des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft beim VwGH eingereicht wurde.
Der VwGH wies die außerordentliche Revision mangels Zulässigkeit zurück mit der Begründung, dass alle Fragen der außerordentlichen Revision auf der falschen Prämisse beruhen würden, dass die Bewilligungsfreistellung des § 36 Abs 3 EisbG nicht zur Anwendung gelange, da das ESTW als untrennbarer Teil nach § 31 EisbG angesehen werde.
Für den Bau oder die Veränderung von Eisenbahnanlagen und nicht ortsfesten eisenbahnsicherungstechnischen Einrichtungen ist grundsätzlich gemäß § 31 EisbG die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erforderlich. Keine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung ist ua gemäß § 36 Abs 3 EisbG dann erforderlich, wenn der Bau oder die Veränderung entsprechend einer europäischen technischen Zulassung erfolgen soll oder europäische Normen/Spezifikationen oder gemeinsame technische Spezifikationen vorliegen und der Bau oder die Veränderung dementsprechend erfolgen soll.
Das Zusammenspiel der zwei Regelungen ist nach dem VwGH folgendermaßen zu lösen:
- Unteilbares Gesamtvorhaben: Der VwGH bestätigte, dass Bauvorhaben grundsätzlich als unteilbares Ganzes zu betrachten seien (vgl etwa VwGH 22.01.2015, Ra 2014/06/0055). Die Behörde könne nur das gesamte Vorhaben bewilligen oder ablehnen, nicht jedoch einzelne Teile davon isoliert betrachten. Dies gelte auch dann, wenn Teile des Vorhabens, wie das ESTW, an sich nach § 36 Abs 3 EisbG bewilligungsfrei wären.
- Einbeziehung genehmigungsfreier Teile: Auch genehmigungsfreie Teile eines Gesamtvorhabens müssen in den Bauentwurfsunterlagen enthalten sein. Die Eisenbahn-Bauentwurfsverordnung (EBEV) regelt in § 2 Abs 8, dass in diesen Unterlagen zumindest die für die Beurteilung der genehmigungspflichtigen Maßnahmen erforderlichen Angaben zu den genehmigungsfreien Teilen enthalten sein müssen.
- Genehmigungsfreistellung nach § 36 Abs 3 EisbG: Diese Freistellung gilt, wenn die Voraussetzungen – etwa die Einhaltung europäischer Normen – erfüllt sind (VwGH vom 30.9.2020, Ra 2020/03/0054, 58). Der VwGH stellte in diesem Punkt auch klar, dass für genehmigungsfreie Vorhaben, die Mitwirkung des VAI gesetzlich nicht vorgesehen sei. Die Schutzmaßnahmen des ASchG seien allerdings von Amts wegen zu beachten und können vorgeschrieben werden.
Im vorliegenden Fall bestätigte der VwGH, dass das ESTW gemäß den relevanten ÖNORMEN gebaut werde und daher bewilligungsfrei sei. Da es jedoch untrennbarer Teil des Gesamtvorhabens sei, greife die Bewilligungsfreistellung nicht isoliert.
- Erforderliche Unterlagen und Prüfung: Die Revision bemängelte fehlende technische Unterlagen zur Beurteilung des ESTW. Der VwGH stellte hierzu klar, dass im Rahmen des Gesamtvorhabens keine detaillierten Unterlagen für genehmigungsfreie Teile erforderlich seien, solange deren Konformität mit den relevanten Normen und Vorschriften im Rahmen der Betriebsbewilligung nachgewiesen werde. Auch wenn der Bau oder die Änderung einer eisenbahnsicherungstechnischen Anlage Teil eines nach § 31 EisbG baubewilligungspflichtigen, unteilbaren Gesamtvorhabens ist, sei als Beurteilungsmaßstab dennoch weiterhin jener des § 36 Abs 3 EisbG heranzuziehen. Für eine solche Einrichtung seien keine materiellen Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen. Es reiche aus, wenn im Antrag nach § 31a EisbG angegeben wird, dass die Ausführung nach den einschlägigen europäischen Normen, Spezifikationen und Zulassungen erfolgt bzw diesen entspricht.
Die Klarstellungen sind insbesondere aus Projektwerber:innensicht erfreulich. Hinsichtlich Vorhaben, die bewilligungspflichtige und -freie Teile enthalten, ist nun klar, was der Genehmigungsantrag zu umfassen hat und wie die Antragsunterlagen auszugestalten sind. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die Entscheidung dazu beitragen wird, in diesen Fällen allzu ausufernden Diskussionen über den Stand der Technik und Arbeitnehmer:innenschutzvorschriften vorzubeugen.