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Mag.a Domnica Zamfirescu

Der Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden VwGH) hob am 08.08.2024 das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (im Folgenden LVwG) im Zusammenhang mit der naturschutzrechtlichen Bewilligung eines Kraftwerksprojekts an der Salzach aufgrund von Verfahrensmängeln auf. Im Mittelpunkt der Entscheidung stand die unzureichende Prüfung des Vorkommens der nach der FFH-Richtlinie und landesrechtlichen Naturschutzregelungen geschützten Haselmaus im Projektgebiet. Die Haselmaus ist in Anlage 2 der Pflanzen- und Tierarten-Schutzverordnung der Salzburger Landesregierung (LGBl Nr 93/2017) als besonders schützenswert iSd § 31 Abs 1 Z 1 Salzburger Naturschutzgesetzes gelistet. Die Landesumweltanwaltschaft Salzburg hatte gerügt, dass keine systematischen Erhebungen zum Vorkommen dieser Art durchgeführt wurden. Zudem wurde das angefochtene Erkenntnis den Begründungserfordernissen in Ansehung der Beurteilung nicht gerecht, ob durch das Projekt hinsichtlich waldbewohnender Vogelarten artenschutzrechtliche Verbotstatbestände ausgelöst werden. Außerdem waren die Auflagen im Hinblick auf die Herpetofauna völlig unbestimmt.

Das LVwG hatte etwa festgestellt, dass keine Haselmauspopulation im Projektgebiet existiere, wobei es sich dabei auf Zufallsfunde aus dem Jahr 2013 der Biodiversitätsdatenbank stützte. Die zoologische Amtssachverständige bestätigte zwar in der Verhandlung, dass spezielle Methoden zur Erfassung von Haselmäusen, wie Nistkästen oder Röhren, erforderlich gewesen wären, die hier nicht zum Einsatz kamen. Das LVwG ging ohne weitere Begründung allerdings nicht darauf ein.

Nach der Rechtsprechung des VwGH erfordert die Begründungspflicht der Verwaltungsgerichte folgende Schritte:

• eine eindeutige, überprüfbare Feststellung des zugrunde gelegten Sachverhalts,
• eine Darlegung der Gründe, die die Behörde bei widersprüchlichen Beweisergebnissen zur Feststellung eines bestimmten Sachverhalts bewogen haben,
• und schließlich die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheids geführt haben.

Diese Anforderungen sind erfüllt, wenn die Überlegungen zum Sachverhalt, zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hervorgehen. Das Verwaltungsgericht darf dabei wesentliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen oder Begründungen übergehen (vgl zuletzt VwGH 22.10.2020, Ra 2019/10/0014 mwN).

Der VwGH stellte klar, dass die Sachverhaltsfeststellung samt Beweiswürdigung des LVwG im Hinblick auf Artenschutz unzureichend waren. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das LVwG bei Vermeidung der aufgezeigten Begründungs- bzw Ermittlungsmängel zu einem anderen Verfahrensergebnis gelangt wäre, hob er das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

VwGH 08.08.2024, Ra 2022/10/0157

Mag. Thomas Ukowitz

Am Areal des Nordwestbahnhofs, einem seit 2006 stillgelegten Frachtenbahnhof, ist die Errichtung eines neuen Stadtviertels vorgesehen. Die Planungen für das gegenständliche Vorhaben reichen bis ins Jahr 2005 zurück. Die Wiener Landesregierung erteilte Ende 2022 die Genehmigung für das Städtebauvorhaben. Diese wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Jänner 2024 im Wesentlichen bestätigt. Gegen das verwaltungsgerichtliche Erkenntnis wurde eine außerordentliche Revision erhoben. Das letzte Wort sprach nun der VwGH mit seinem Beschluss vom 09.07.2024.

Die Revision monierte insbesondere die „Willkür“ bei der Wahl der „Nullvariante. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes legt die „Nullvariante“ das Unterbleiben des Vorhabens dar. Im gegenständlichen Verfahren war strittig, ob die „Nullvariante“ vom Status quo, also einem brach liegenden ehemaligen Verschubbahnhof ohne laufende Nutzung oder vom letzten vollen Betriebsjahr bzw einer Wiederinbetriebnahme des Frachtenbahnhofs in Vollkapazität ausgehen muss. Die Wahl des Nullplanfalls ist insofern entscheidend, als dieser die Basis für die Auswirkungsberechnungen bildet.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass für den Fall, dass das gegenständliche Städtebauvorhaben nicht realisiert werden könne, die Wiederinbetriebnahme des Frachtenbahnhofs absehbar sei. Die Projektwerberin verfüge über eine aufrechte Genehmigung für den Betrieb eines Güterumschlags; im Fall einer Nichtrealisierbarkeit des Vorhabens würde und müsste sie nach Maßgabe der Bewilligungssituation (aufrechte eisenbahnrechtliche Genehmigung) reagieren. Als absehbare Entwicklung komme diesfalls nur der Weiterbetrieb der Eisenbahn in Frage.

Rechtlich führte das Verwaltungsgericht hierzu aus, wenn – wie im gegenständlichen Fall – konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass es in absehbarer Zeit zu einer Änderung des Sachverhalts kommen werde und die Behörde in der Lage sei, sich über die Auswirkungen dieser Änderung ein hinlängliches Bild zu machen, sei auf absehbare Entwicklungen bei der Entscheidung über die Genehmigung des Vorhabens Bedacht zu nehmen. Daher sei im gegenständlichen Fall nicht das letzte volle Betriebsjahr des Frachtenbahnhofs (2006) als Nullplanfall zu Grunde zu legen, sondern ein (Basis-)Szenario, welches das Kriterium für eine absehbare zukünftige Entwicklung erfüllt.

Den Auswirkungsberechnungen wurde daher als Nullvariante die volle Wiederinbetriebnahme des Bahnhofs in der Zukunft zu Grunde gelegt. Der Forderung der Beschwerdeführer, von den tatsächlich bestehenden Immissionswerten auszugehen, erteilte das BVwG eine Absage. Im Rahmen der außerordentlichen Revision ist es den Vorhabensgegnern nicht gelungen, in Form einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, dass die Wahl des Nullplanfalls rechtswidrig erfolgt ist. Der VwGH wies die Revision daher als unzulässig zurück und bestätigte die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts.

BVwG 30.01.2024, W104 2265480-1, „Städtebauvorhaben Nordwestbahnhof“; VwGH 09.07.2024, Ra 2024/05/0029

Mag.a Julia Steier

In der Vergangenheit sorgten zahlreiche Vorfälle mit Hunden, insbesondere tödliche Bissattacken, immer wieder für Schlagzeilen und Diskussionen über die Pflichten von Hundehaltern. Diese Vorfälle haben in der Gesellschaft und vor allem bei zahlreichen Hundehaltern das Bewusstsein geschärft. Doch muss ein Hund immer an der Leine geführt werden? Gerade auf Geh- und Radwegen im städtischen Bereich, wo Fußgänger, Radfahrer und Hundehalter auf engem Raum zusammenkommen, ist die Unsicherheit groß.

Auch der OGH beschäftigte sich jüngst mit dieser Frage und stellte in seinem Urteil vom 25.07.2024 zu 2 Ob 119/24z klar, dass es durchaus Situationen gibt, in denen eine Leinenpflicht nicht zwingend erforderlich ist – vorausgesetzt, der Hund ist gut erzogen und gehorcht auf Kommando.

Darf der Hund ohne Leine laufen?

Der OGH hat bereits in der Vergangenheit ausgesprochen, dass der Halter eines Hundes haftbar ist, wenn eine ortspolizeiliche Verordnung eine Leinenpflicht vorschreibt, der Hund dennoch frei läuft und dadurch etwa einen Radfahrer zu Fall bringt. Zwar kann das Anleinen des Hundes auch ohne eine entsprechende Verordnung der Gemeinde geboten sein, jedoch dürfen die Anforderungen an den Tierhalter nicht überspannt werden. Gemäß § 1320 Abs 1 ABGB haben Tierhalter dafür zu sorgen, dass ihr Hund keine Gefahr für andere darstellt. Der OGH hat in diesem Zusammenhang bereits klargestellt, dass die Aufsicht über einen Hund, insbesondere bei Spaziergängen im freien Gelände, nicht zwangsläufig bedeutet, ihn an der Leine zu führen. Es reicht aus, wenn die Aufsichtsperson den Hund, sofern er zuverlässig auf Befehle hört, ständig im Blick behält und ihn durch Zuruf kontrolliert (sogenannte „virtuelle Leine“). Die Art und Weise, wie ein Tier gehalten oder überwacht werden muss, hängt jedoch stets von den spezifischen Gegebenheiten des Einzelfalls ab.

Mag.a Domnica Zamfirescu

Der fortschreitende Klimawandel und die angestrebte Energieunabhängigkeit von Russland erfordern eine deutliche Beschleunigung des Umstiegs auf erneuerbare Energien, sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene. Insbesondere die jüngste Novelle der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III, RL (EU) 2023/2413), zielt darauf ab, die Energiewende in den Mitgliedstaaten der EU durch eine Reihe von Maßnahmen umzusetzen. Österreich steht dabei vor der Herausforderung, diese Vorgaben in nationales Recht zu überführen und gleichzeitig den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen. Der folgende Beitrag beleuchtet die zentralen Punkte der RED III. Deren Umsetzung im österreichischen Recht bleibt abzuwarten.

Mit der RED III hat die Europäische Union das Ziel festgelegt, dass bis 2030 mindestens 42,5 % des Bruttoendenergieverbrauchs der EU aus erneuerbaren Quellen stammen sollen. Österreich hat sich zudem verpflichtet, den Gesamtstromverbrauch bereits 2030 bilanziell vollständig durch erneuerbare Energien zu decken. Das österreichische Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), BGBl I 2021/150 idF BGBl I 2024/27, setzt ambitionierte Ziele: 27 TWh zusätzliche jährliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen, davon allein 11 TWh durch Photovoltaikanlagen. Eine Million Dächer in Österreich sollen mit PV-Anlagen ausgestattet werden. Diese Zielvorgaben zeigen klar, dass der Druck zur Verfahrensbeschleunigung steigt.

Ein zentrales Problem für die Umsetzung dieser ambitionierten Ziele ist das österreichische Föderalsystem. Die Genehmigungsverfahren für PV-Anlagen unterscheiden sich erheblich zwischen den Bundesländern, was die Planung und Umsetzung erheblich erschwert.

Um den Ausbau von PV-Anlagen zu beschleunigen, hat die EU in der RED III die Genehmigungsfristen deutlich verkürzt. Für kleine Anlagen mit einer Kapazität von bis zu 100 kW darf das Genehmigungsverfahren maximal drei Monate dauern; für noch kleinere Anlagen mit bis zu 50 kW wurde eine temporäre Regelung bis Juni 2024 eingeführt, nach der das Verfahren maximal einen Monat dauern darf​. Die RED III normiert nun dauerhaft, dass der Ausbau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie "im überragenden öffentlichen Interesse" liegt. Die RED III sieht hierbei vor, dass rechtliche Hindernisse, insbesondere im Bereich des Artenschutzes und des Naturschutzes, zugunsten von erneuerbaren Energieprojekten überwunden werden können, sofern keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen nachgewiesen werden. Die Umsetzungsfrist war bis 21.2.2024 und Österreich ist noch immer säumig, weshalb von einer unmittelbaren Anwendung der RED III auszugehen ist.

Mag. Thomas Ukowitz

Am 16.04.2024 wurde die Novelle des Wiener Baumschutzgesetzes kundgemacht. Ziel der Novelle ist eine Nachschärfung der Treffsicherheit des Gesetzes vor allem im Sinne des Klimaschutzes. Die wesentlichen Neuerungen sind:

  • In Form einer taxativen Aufzählung wird nunmehr klargestellt, was unter „Obstbäumen“ zu verstehen ist (§ 1 Abs 2 Z 3). Nicht gelistet und somit geschützt sind ua der schwarze Holunder und der Maulbeerbaum.

  • Bewilligungen werden nur mehr befristet erteilt. Wird die bewilligte Baumentfernung nicht innerhalb von zwei Jahren nach Rechtskraft des Bewilligungsbescheides durchgeführt, erlischt die erteilte Bewilligung (§ 5 Abs 6). Dadurch soll der bisher gängigen Praxis, sich Baumentfernungen auf Vorrat bewilligen zu lassen, ein Riegel vorgeschoben werden.

  • Durch mehrere Maßnahmen soll die Effektivität von Ersatzpflanzungen erhöht werden. Fortan sind größere Ersatzbäume – im Regelfall ein mittel- bis großkroniger Ersatzbaum mit einem Stammumfang von 16 - 18 cm, anstatt eines Ersatzbaumes mit bloß 8 - 15 cm Stammumfang – zu pflanzen (§ 6 Abs 2). Der Radius für mögliche Ersatzpflanzungen wird überdies auf den gesamten Bezirk erweitert (§ 6 Abs 3). Zudem können begleitende Maßnahmen vorgeschrieben werden (§ 6 Abs 4).

  • Der Einheitssatz, nach dem sich die Ausgleichsabgabe berechnet, ist auf EURO 5.000,00 erhöht worden (§ 9 Abs 3). Im Vergleich zu bisher bedeutet dies nahezu eine Verfünffachung.

  • Die Stoßrichtung der Novelle spiegelt sich nicht zuletzt auch in der Erhöhung der Verwaltungsstrafen bei Verstößen und die Hemmung der Verfolgungs- und Strafbarkeitsverjährung wider (§ 13).

  • Das novellierte Wiener Baumschutzgesetz ist (mit Ausnahme der Strafbestimmungen) rückwirkend mit 15.01.2024 in Kraft getreten ist. Seit Inkrafttreten der Novelle sind die neuen Bestimmungen auf anhängige Verfahren anzuwenden.

Zusammengefasst führt die Novelle einerseits zu empfindlichen Verschärfungen (größere Ersatzbäume, höhere Ausgleichsabgabe), andererseits schafft sie auch mehr Flexibilität bei den Ersatzpflanzungen. Willkommen ist auch die nun klare Obstbaumdefinition, die bisherige Unklarheiten ausräumt.

Wiener Baumschutzgesetz

Mag. Georg Schwarzmann

Zum wiederholten Mal hatte sich das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit der geplanten dritten Piste des Flughafens Wien-Schwechat zu befassen. Diesmal stand die beantragte und von der Behörde genehmigte Verlängerung der Umsetzungsfristen zur Diskussion.

Nach § 17 Abs 6 UVP-G kommt der Behörde die Befugnis zu, die Genehmigung des UVP-pflichtigen Vorhabens mit einer Umsetzungsfrist zu verknüpfen. Eine solche ist insbesondere dann zu verfügen, wenn das Zuwarten mit der Projektverwirklichung oder eine unverhältnismäßig lange Bauphase im Licht der Zielsetzungen des Gesetzes als nachteilig zu beurteilen wäre. Ebenfalls in § 17 Abs 6 UVP-G wird normiert, dass wichtige Gründe eine Verlängerung der gesetzten Frist erlauben.

Nachdem die im Rahmen der Bewilligung festgesetzten Fristen – gestaffelt nach der jeweiligen Ausbaustufe – am 31.12.2023, 2024 und 2029 geendet hätten, wurde vom Konsensinhaber rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung dieser Fristen eingebracht. Begründend wurde die geänderte Situation im Luftverkehr aufgrund der COVID-Pandemie aber auch die lange gerichtliche Verfahrensdauer ins Treffen geführt.

Die von der Behörde daraufhin gewährte Erstreckung der Umsetzungsfristen um 9,5 Jahre wurde vom BVwG als überschießend beurteilt. Aufgrund der festgestellten Umsetzungsdauer von 6,25 Jahren, ist nach Ansicht des BVwG eine Fristerstreckung um 6,5 Jahre angemessen. Die mit der COVID-Pandemie einhergehenden Entwicklungen stellen demnach einen wichtigen Grund im Sinne des UVP-G dar, der eine Fristerstreckung rechtfertigt.

Sofern die Beschwerdeführer argumentierten, dass die Genehmigung auf Vorrat eingeholt worden und eine fristgerechte Umsetzung niemals geplant gewesen sei, führt das BVwG aus, dass der Problematik der Bevorratung mittels objektiver Kriterien begegnet wird. Eine Verlängerung der Umsetzungsfristen kommt demnach nur in Betracht, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

Wenn die Beschwerdeführer weiter vorbringen, dass das Vorhaben nicht mehr genehmigungsfähig sei, da die öffentlichen Interessen an der Nichtdurchführung des Vorhabens überwiegen würden, verweist das Gericht auf die ursprünglich erteilte Genehmigung. Eine nochmalige vollständige Prüfung und Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens im Fristverlängerungsverfahren nach § 17 Abs 6 UVP-G, lasse sich aus der Judikatur des VwGH nicht ableiten.

Das BVwG hat die Erhebung einer Revision aufgrund fehlender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einzelnen Rechtsfragen ausdrücklich zugelassen, sodass von einer Befassung des Gerichtshofs auszugehen ist.

(BVwG 08.05.2024, W109 2274852-1/53E)

Mag.ᵃ Domnica Zamfirescu

Nach eingehender Prüfung fasste die Wiener Landesregierung am 14. Mai 2024 den Beschluss, dass das Vorhaben „Seilbahn Kahlenberg“ keiner Umweltverträglichkeitsprüfung (im Folgenden UVP) zu unterziehen ist, obwohl das UVP-G seit der letzten Novelle einen Seilbahntatbestand vorsieht.

Die juristisch spannendste Frage, mit der sich die Behörde zu befassen hatte, war die Beurteilung der Unionsrechtskonformität der einschlägigen Übergangsbestimmung. § 46 Abs 29 Z 4 UVP-G 2000 normiert, dass die neuen Tatbestände für Projekte, für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle, also vor dem 23. März 2023, bereits ein Verwaltungsverfahren anhängig ist, nicht anzuwenden sind. Die Behörde stellte fest, die Projektwerberin habe am 25. April 2016 (im seilbahnrechtlichen Konzessionsverfahren – ein bereits rechtskräftig abgeschlossen und daher wohl nicht mehr anhängiges Verfahren) sowie am 22. März 2023 (im Rodungsverfahren – genau ein Tag vor In-Kraft-Treten der Novelle) beim BMK jeweils einen Antrag gestellt, worauf das BMK ein Feststellungsverfahren eingeleitet hat. Aus diesem Grund sei der neue Seilbahntatbestand des Anhangs 1 Z 10 lit i UVP-G 2000 nicht anwendbar gewesen.

Mag. Katharina Kuenburg

Der OGH hat sich mittlerweile in zahlreichen Individual- und Verbandsprozessen mit der Klauselkontrolle bei Wohnungsmietverträgen befasst.

Im Verbandsprozess zu GZ 8Ob6/24a vom 22.03.2024 wurde unter anderem eine AGB-Klausel für Wohnungsmietverträge im MRG-Teilanwendungsbereich, wonach der Mieter zur Reparatur und Rückstellung von Elektrogeräten wie E-Herd, Geschirrspüler und Kühlschrank in funktionsfähigem Zustand verpflichtet wurde, als unwirksam qualifiziert.

In seiner Entscheidung hat der OGH eine generelle Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, ohne dafür ein entsprechendes Äquivalent zu gewähren, als sachlich nicht gerechtfertigte Abweichung vom dispositiven Recht (§ 1096 ABGB, §§ 3 und 8 MRG) gewertet und als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und daher nichtig angesehen.

Es gibt zwar durchaus Rechtsprechung, wonach eine teilweise Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter zulässig ist, solange nicht der Kernbereich der Erhaltungspflichten des Vermieters betroffen oder die Gesundheit gefährdet ist, aber auch hier gilt der Grundsatz, dass jedes Abweichen von dispositivem Recht im Rahmen der Prüfung nach § 879 Abs 3 ABGB einer sachlichen Rechtfertigung bedarf.

Sohin ist auch eine teilweise Überwälzung der Erhaltungspflicht auf den Mieter im MRG-Teilanwendungsbereich gemäß § 879 Abs 3 ABGB wegen gröblicher Benachteiligung unwirksam, wenn eine sachliche Rechtfertigung (etwa durch Anrechnung auf den Mietzins) fehlt.

Mag.ᵃ Domnica Zamfirescu

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 9. April 2024 in einem bahnbrechenden Urteil zugunsten des Vereins "KlimaSeniorinnen Schweiz" entschieden. Zum ersten Mal erkannte das Gericht den Klimawandel als Menschenrechtsproblem an. Beachtlich war auch die positive Entscheidung der Zulässigkeit der Vereinsklage. Zwei weitere Klimaklagen gegen Frankreich und mehrere europäische Staaten wurden jedoch als unzulässig zurückgewiesen.

Vier ältere Frauen und der Verein „KlimaSeniorinnen Schweiz“ klagten gegen die Schweiz. Sie argumentierten, dass die unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen der Schweiz ihre Grundrechte auf Leben (Art 2 EMRK) und Privatleben (Art 8 EMRK) gefährden. Aufgrund der Erderwärmung fühlten sich die Klägerinnen in ihrer Gesundheit und ihren Lebensbedingungen bedroht. Weiters machten sie eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art 6 und Art 13 EMRK) geltend.

Das Gericht erkannte, dass der Schutz vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels in den Aufgabenbereich der Staaten fällt. Staaten müssen Regelungen erlassen und umsetzen, um den Klimawandel zu mindern und die Rechte ihrer Bürger zu schützen (Zielzeitplan für Klimaneutralität und CO2-Budget, Treibhausgasreduktionsziele, Einhaltung der Ziele, Zugang zu Informationen und Rechtschutz). Die Schweiz sei diesen Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen und habe daher ihren Ermessensspielraum überschritten. Das Urteil betonte auch die Bedeutung des Rechts auf ein faires Verfahren. Die Schweizer Gerichte hätten sich nicht ernsthaft mit der Klage des Vereins befasst und damit das Recht auf Zugang zu einem Gericht verletzt.

Nach Art 46 EMRK bindet das EGMR-Urteil die beklagte Schweiz, welche die Verletzung einzustellen hat und notwendige Maßnahmen setzen muss, wobei ihr dafür ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wurde. Weiters konkretisiert der EGMR mit seinem Urteil in allgemeiner Geltung den Gehalt der EMRK-Grundrechte, die in Österreich im Verfassungsrang stehen - insbesondere des Rechtes auf Privatleben sowie des Rechtes auf ein faires Verfahren. Die EMRK ist außerdem die wesentliche Grundlage für die Auslegung der EU-Grundrechtecharta und bindet auch den Unionsgesetzgeber (vgl Art 52 Abs 3 GRC).

Mag. Thomas Ukowitz

In zwei aktuellen fluggastrechtlichen Entscheidungen hatte sich der EuGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Entdeckung eines versteckten Konstruktionsfehlers am Triebwerk eines Flugzeugs bzw einer neuartigen technischen Störung bei der Treibstoffanzeige unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr 261/2004 (EU-Fluggastrechteverordnung) fällt. Im einen Fall wurde das Luftfahrtunternehmen vom Hersteller des Triebwerks mehrere Monate vor dem betreffenden Flug über das Vorliegen eines derartigen Fehlers informiert; im anderen hat der Hersteller des Flugzeugs erst nach der Annullierung des Fluges anerkannt, dass die Störung durch einen versteckten Konstruktionsfehler verursacht wurde.
Zunächst stellt der Gerichtshof klar, dass technische Störungen nur dann außergewöhnliche Umstände bedeuten können, wenn diese ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind.

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