Vorverlegung eines Fluges ist als Annullierung zu qualifizieren

Der letzten fluggastrechtlichen EuGH-Entscheidung des Jahres 2021 liegt die Buchung eines Fluges von Palma de Mallorca nach Wien über eine elektronische Buchungsplattform zu Grunde. Anlass des Rechtsstreits vor dem Bezirksgerichts Schwechat und dem Landesgericht Korneuburg war die Vorverlegung des Fluges um etwas mehr als sechs Stunden. Das Luftfahrtunternehmen verfügte über keine Kontaktdaten der Passagiere und unterrichtete den Reisevermittler rund drei Wochen vor dem Abflugdatum über die Vorverlegung. Diese Information wurde jedoch seitens der Buchungsplattform erst vier Tage vor dem planmäßigen Abflug an die Fluggäste weitergegeben.

 

Es stellte sich daher die Frage, ob eine Vorverlegung einer Annullierung gleichzuhalten ist und welche zeitlichen Schwellenwerte gegebenenfalls anzuwenden sind. Der EuGH stellte diesbezüglich klar, dass der Begriff „Annullierung“ auch Situationen umfasst, in denen Flüge in erheblichem Maß vorverlegt werden. Zur Abgrenzung zwischen einer erheblichen und einer unerheblichen Vorverlegung sind die in Art 5 Abs 1 Buchst c Ziff ii und iii der VO (EG) 261/2004 vorgesehenen Grenzwerte heranzuziehen. Erfolgt die Information des Passagiers weniger als sieben Tage vor dem planmäßigen Abflug, darf die Vorverlegung nicht mehr als eine Stunde betragen, anderenfalls sie als Annullierung zu qualifizieren ist. Auch wenn diese Auslegung keine ausdrückliche Deckung im Wortlaut der Fluggastrechteverordnung findet, ist sie systematisch gerechtfertigt und gewährleistet ein hohes Schutzniveau für Fluggäste, erscheint es doch sachlich nicht gerechtfertigt Passagiere von annullierten Flügen denen eine Ersatzbeförderung angeboten wird und Passagiere deren Flug vorverlegt wird unterschiedlich zu behandeln.

Darüber hinaus hat der EuGH klargestellt, dass ein Fluggast nicht als informiert gilt, wenn das Luftfahrtunternehmen lediglich den Reisevermittler über die Vorverlegung in Kenntnis setzt, dieser die Information jedoch nicht oder verspätet weiterleitet. Im Ergebnis besteht folglich eine Verpflichtung zur Ausgleichsleistung, wenn die Information zwar dem Reisevermittler, nicht aber dem Passagier, rechtzeitig zugegangen ist. Eine andere Beurteilung wäre nur unter der Prämisse denkbar, dass der Fluggast den Vermittler ausdrücklich ermächtigt hat, die vom ausführenden Luftfahrtunternehmen übermittelten Informationen entgegenzunehmen.

(EuGH 21.12.2021, C-263/20

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