Verordnungsprüfungsverfahren im Verwaltungsweg II. Voreilige direkte Beschwerde gegen die OÖ WolfsmanagementV beim OÖ LVwG

Das Oberösterreichische Landesverwaltungsgericht (im Folgenden LVwG OÖ) wies am 28. August 2023, LVwG-552719/5/KLe, eine Beschwerde einer anerkannten Umweltorganisation gegen die von der OÖ Landesregierung (im Folgenden OÖ LReg) erlassenen OÖ Wolfsmanagementverordnung zurück. Zudem leitete das LVwG OÖ die Beschwerde gem § 6 AVG an den VfGH weiter.

 

Der Wolf (Canis lupus) ist als prioritäre streng zu schützende Art in Anhang II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (im Folgenden FFH-RL) angeführt. Gem § 1 Abs 1 der OÖ Schonzeitverordnung 2007 sowie §§ 48 und 49 OÖ Jagdgesetz ist der Wolf in Oberösterreich entsprechend der FFH-RL ganzjährig zu schonen und darf weder gejagt, noch gefangen, noch getötet werden. Unter gewissen Voraussetzungen darf die Landesregierung Ausnahmen in Form von Verordnungen oder Bescheiden vorsehen, wenn dies etwa im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist, keine andere zufriedenstellende Lösung existiert und der günstige Erhaltungszustand der betroffenen Tierart in seinem Verbreitungsgebiet nicht verhindert wird.

Eine solche Ausnahme normierte die OÖ LReg durch Erlass der OÖ WolfsmanagementV, LGBl 49/2023. Dagegen brachte eine nach § 19 Abs 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation eine Beschwerde direkt beim OÖ LVwG ein.

Dieser Fall unterscheidet sich vom kürzlich ergangenen Fischotter-Erkenntnis insofern (VwGH 13. 6. 2023, Ra 2021/10/0162, 0163, siehe dazu den unseren Blogbeitrag) in einem wesentlichen Punkt, als die anerkannte Umweltorganisation direkt beim OÖ LVwG Beschwerde gegen eine Verordnung erhoben hat, ohne zuvor eine behördliche Entscheidung der OÖ LReg zu erwirken.

Die OÖ LReg als verordnungserlassende Behörde trägt die Verantwortung für die in ihren Kompetenzbereich fallenden V und sie wäre zuständig gewesen, ihre eigenen Rechtsakte zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben.

Die V-Prüfung ist einem Landesverwaltungsgericht gem Art 135 Abs 4 iVm Art 89 Abs 1 B-VG jedoch verfassungsrechtlich verwehrt. Eine direkte Anfechtung einer V direkt beim LVwG kann unserer Ansicht nach aus dem VwGH-Erkenntnis, nicht abgeleitet werden. Aus diesem Grund ist der Entscheidung des LVwG OÖ zuzustimmen.

Auch die Weiterleitung an den VfGH wird uE daran nichts ändern. Das LVwG OÖ hat nämlich nicht von seinem Recht Gebrauch gemacht, einen Antrag auf V-Prüfung gem Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG zu stellen, sondern die Beschwerde gem § 6 AVG bloß „zuständigkeitshalber“ an den VfGH weitergeleitet.

Für einen – allenfalls als Individualantrag zu wertenden – Schriftsatz müssen aber die Formerfordernisse der §§ 15 und 17 VfGG erfüllt sein. Entspricht ein Antrag den vier allgemeinen Formerfordernissen des § 15 VfGG (schriftlicher Antrag, Bezugnahme auf den Artikel des B-VG, Darstellung des Sachverhaltes und bestimmtes Begehren) wird er sofort ohne vorangehende Aufforderung zur Mängelbehebung nach § 18 VfGG zurückgewiesen. Der VfGH sieht die Bezugnahme auf den Artikel des B-VG, aufgrund dessen der VfGH angerufen wird, als zwingendes Erfordernis an, dessen Mangel einen inhaltlichen Fehler darstellt (VfSlg 19.142/2010; 19.232/2010). Demnach ist ein Individualantrag auf Aufhebung einer Verordnung, der an keiner Stelle Bezug auf Artikel 139 B-VG nimmt, immer zurückzuweisen (VfSlg 19.142/2010). Es ist anzunehmen, dass der VfGH den Antrag schon aus diesem Grund zurückweisen wird. Abgesehen davon fehlt es wohl an der Umwegsunzumutbarkeit. Es wäre jedenfalls zu begründen gewesen, warum der Weg, der im Fischotter-Erkenntnis beschritten wurde, hier nicht zumutbar war/ist.

LVwG Oö vom 8. August 2023, LVwG-552719/5/KLe

/ Aktuelles