Vorhaben der Energiewende auf dem Vormarsch - das BVwG zum Windpark Spannberg IV

In einem seiner jüngsten Erkenntnisse zu Energieinfrastrukturvorhaben setzte sich das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mitunter mit Rechtsfragen im Spannungsfeld zwischen den Interessen des Landschaftsschutzes sowie der Erzeugung erneuerbarer Energien auseinander.

 

Das BVwG wies die Beschwerden gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung, mit dem der Projektwerberin die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens Windpark Spannberg IV erteilt wurde, als unbegründet ab. Das Vorhaben Windpark Spannberg IV, das im Wesentlichen aus der Errichtung von insgesamt 11 Windenergieanlagen auf dem Gemeindegebiet der Marktgemeinde Spannberg (Bezirk Gänserndorf/NÖ) besteht, kann nunmehr errichtet und betrieben werden.

Die Entscheidung sticht insbesondere mit ihren Ausführungen zum Landschaftsschutz hervor. Zunächst erkennt das BVwG, dass die Errichtung des gegenständlichen Vorhabens das Landschaftsbild erheblich beeinträchtige und daher dessen Genehmigung nach § 7 Abs 2 Niederösterreichisches Naturschutzgesetz (Nö NSchG) nach dem Wortlaut der Bestimmung zu versagen wäre. In weiterer Folge stützt sich das Verwaltungsgericht jedoch auf § 4 Nö NSchG, wonach bei Anwendung dieses Gesetzes kompetenzrechtliche Interessen des Bundes in Form einer Abwägung mit den Interessen des Naturschutzes zu berücksichtigen sind, und stellt den Naturschutzinteressen die Interessen des Bundes – in concreto das Interesse an der Gewinnung von Energie (vgl die Bundeskompetenz Elektrizitätswesen des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG) – gegenüber. Das BVwG stützt sich dabei auch auf sein Erkenntnis zum Windpark Paasdorf, in dem es bereits aussprach, dass ungeachtet der Befugnisse des Landesgesetzgebers im Rahmen des Naturschutzes für die gebotene Berücksichtigung kompetenzfremder Interessen Raum sein müsse. Dem folgend führt das Verwaltungsgericht umfassend zum erheblichen Interesse an der Errichtung von Windparks aus. Dabei bezieht es sich mitunter auf verschiedene Strategiepapiere der EU und Österreichs zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen sowie zur Forcierung des Ausbaus von erneuerbaren Energiequellen, den Zielen des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) sowie der aktuellen Kommissionsmitteilung REPowerEU, welche die Förderung von erneuerbaren Energiequellen im überwiegenden öffentlichen Interesse und im Interesse der öffentlichen Sicherheit gelegen sieht. Auch stützt sich das BVwG auf einschlägige höchstgerichtliche Rechtsprechung (ua VwGH 30.09.2002, 2000/10/0065; 21.12.2016, Ro 2014/10/0046), die bestätigt, dass der Ausbau von erneuerbaren Energieträgern unzweifelhaft im öffentlichen Interesse erfolge. So gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Schluss, dass aus energiewirtschaftlicher Sicht an der Errichtung des Vorhabens Windpark Spannberg IV, das pro Jahr die umweltschonende Produktion von ungefähr 172 Mio kWh elektrischer Energie ermöglicht, jedenfalls ein öffentliches Interesse bestehe.

Dem hohen öffentlichen Interesse an der Errichtung des vorliegenden Vorhabens werden sodann die Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes – unter Bedachtnahme auf die festgestellten erheblichen Einwirkungen – gegenübergestellt. Das BVwG führt aus, dass der Schutz des Landschaftsbildes zwar nicht geringgeschätzt werden solle, doch müsse vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass die öffentlichen Interessen an der Errichtung des Vorhabens das Interesse an der Bewahrung des Landschaftsbildes klar überwiegen. Zu bedenken sei, dass Windparks auch wieder rückgebaut und die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes damit rückgängig gemacht werden können. Demgegenüber gelte es, zur Einschränkung des Klimawandels jetzt tätig zu werden und können seine Folgen – wenn einmal eingetreten – wohl nur schwer wieder rückgängig gemacht werden.

Abgesehen davon setzte sich das BVwG im gegenständlichen Erkenntnis auch mit den artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen der FFH-RL auseinander. Im Wesentlichen erkannte das Verwaltungsgericht, dass die Verbotstatbestände nach der rezenten Rechtsprechung des EuGH unabhängig vom Erhaltungszustand der jeweiligen Art gelten (EuGH verb Rs C-473/19 und C-474/19, Föreningen Skydda Skogen), die Rechtsprechung zum Signifikanzkriterium weiterhin gelte und dabei auch die Nutzung dieses Lebensraumes durch den Menschen zu berücksichtigen sei.

Die gegenständliche Entscheidung reiht sich ein in eine immer länger werdende Liste an (höchst-)gerichtlichen Entscheidungen, die sich eingehend mit den Interessen an der Erzeugung erneuerbarer Energien befassen und Energieinfrastrukturvorhaben letztendlich zur Umsetzung verhelfen. Interessant ist die abschließende Begründung des BVwG, die ganz bewusst auf die Dringlichkeit des Tätigwerdens gegen den Klimawandel hinweist und den nicht wiedergutmachbaren Folgen des Klimawandels die potentiell rückgängig zu machenden Auswirkgen von Windenergieanlagen gegenüberstellt. Sowohl in der Rechtsprechung als auch auf legislativer Ebene – man bedenke auch den aktuellen Vorschlag zur Novellierung des UVP-G 2000 – ist mittlerweile eine sehr energiewendefreundliche Grundstimmung zu erkennen.

Dies stimmt zuversichtlich, die immensen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zumindest ansatzweise bewältigen zu können.

BVwG 02.08.2022, W118 2252460-1/25E, Windpark Spannberg IV

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