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Das EuG bestätigt die Nachhaltigkeit von Kernenergie und Gas

Mag.a Domnica Zamfirescu

Mit Urteil vom 10. September 2025 (T-625/22) hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) die Klage Österreichs gegen die Delegierte Verordnung (EU) 2022/1214 vollständig abgewiesen. Damit bleibt die Einstufung von Kernenergie und fossilem Gas als nachhaltige Tätigkeiten in der EU-Taxonomie noch bestehen.

Die Taxonomieverordnung (VO [EU] 2020/852) soll festlegen, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig gelten. Ziel ist, Kapitalflüsse in grüne Investitionen zu lenken und Greenwashing zu verhindern. Die konkrete technische Ausgestaltung erfolgt jedoch nicht durch die Taxonomieverordnung selbst, sondern durch delegierte Verordnungen der Kommission gemäß Art 290 AEUV. Die Delegierte Verordnung (EU) 2022/1214 stufte – unter bestimmten Bedingungen – Erdgas und Kernkraft als förderungsfähige bzw „Übergangstätigkeiten“ ein. Österreich, unterstützt von Luxemburg, erhob daraufhin Nichtigkeitsklage. Die Regierung argumentierte, die Kommission habe ihre Kompetenzen überschritten, das Vorsorgeprinzip und das Europäische Klimagesetz verletzt und das Konsultationsverfahren unzureichend durchgeführt.

 

Das EuG wies sämtliche 16 Klagegründe zurück. Es betonte den weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum der Kommission bei komplexen wissenschaftlich-technischen Bewertungen. Die von der Kommission festgelegten Kriterien – etwa Emissionsgrenzen für Gasanlagen oder Anforderungen an Endlagerkonzepte für radioaktive Abfälle – seien hinreichend fundiert und kohärent. Auch ein Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip oder das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 sei nicht ersichtlich.

Kritisch ist insbesondere auch die Kompetenzfrage: Nach Art 290 AEUV darf die Kommission nur „nicht wesentliche Bestimmungen“ eines Gesetzgebungsakts durch eine delegierte Verordnung ergänzen oder ändern - es handelt sich hierbei um Tertiärrecht, ein Rechtsakt eines europäischen Organs auf Grundlage von sekundärem Unionsrecht. Aus diesem Grund war auch das EuG hier zuständig und nicht der Europäische Gerichtshof (EuGH). Dass die Einstufung der Kernenergie als „nachhaltig“ keine wesentliche Änderung der Taxonomie darstellen soll, ist zumindest zweifelhaft. Politisch betrachtet handelt es sich um eine der grundlegendsten Weichenstellungen der EU-Nachhaltigkeitspolitik.

Aus umweltrechtlicher Sicht bleibt offen, ob die Kohärenz des europäischen Nachhaltigkeitsrechts durch diese Entscheidung noch gewahrt ist. Ein Rechtsmittel zum EuGH wäre nicht nur möglich, sondern auch sachlich geboten. Angesichts der gegenwärtigen politischen und finanziellen Lage Österreichs erscheint ein weiteres Vorgehen allerdings leider eher unwahrscheinlich.

 

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