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JP LEGAL UPDATE 12 | 2022 AVIATION

Verspätung von Teilflügen außerhalb der Europäischen Union – Der EuGH zum Begriff des direkten Anschlussflugs und dem Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung

von Mag. Georg Schwarzmann und Mag. Thomas Ukowitz

In der Rechtssache C‑436/21 hatte sich der EuGH damit auseinanderzusetzen, ob Fluggästen ein Anspruch auf Ausgleichsleistung zukommt, wenn eine Flugreise von mehreren Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird und sowohl Abflug- als auch Zielflughafen des verspätungskausalen Teilflugs in einem Drittstaat gelegen sind.

Im Anlassfall machte ein Fluggast Ausgleichsansprüche nach der Verordnung (EG) 261/2004 gegen American Airlines aufgrund einer mehrstündigen Verspätung vor einem deutschen Gericht geltend. Der Fluggast hatte über ein Reisebüro einen elektronischen Flugschein für einen von Swiss durchgeführten Flug von Stuttgart nach Zürich und zwei von American Airlines durchgeführte Anschlussflüge von Zürich nach Philadelphia und weiter nach Kansas City erworben. Der Flugschein wies American Airlines als Dienstleistungserbringerin für die gesamte Strecke aus und war mit einer einheitlichen Buchungsnummer versehen. Ebenso stellte das Reisebüro eine einheitliche Rechnung für die gesamte Flugreise aus. Während die ersten beiden Flüge planmäßig durchgeführt wurden, erreichte der Teilflug von Philadelphia nach Kansas City das Endziel der Flugreise mit einer Verspätung von mehr als vier Stunden. Ausgehend von diesem Sachverhalt oblag es dem EuGH zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein direkter Anschlussflug vorliegt, um darauf aufbauend die Anwendbarkeit der Bestimmungen der EU-Fluggastrechteverordnung zu beurteilen.

Zunächst stellt der Gerichtshof klar, dass der Begriff „direkte Anschlussflüge“ zwei oder mehrere Flüge bezeichnet, die eine Gesamtheit darstellen. Eine solche Gesamtheit liegt jedenfalls vor, wenn die Flüge Gegenstand einer einzigen Buchung waren. Auf dieser Grundlage hat der EuGH entschieden, dass der Begriff des direkten Anschlussfluges auch mehrere von einem Reisebüro zu einer einheitlichen Buchung zusammengefasste Flüge, die von unterschiedlichen Airlines durchgeführt werden, erfasst. Der Gerichtshof stellt ausdrücklich klar, dass es dabei nicht auf eine besondere rechtliche Beziehung zwischen den ausführenden Luftfahrtunternehmen ankommt. Einem Fluggast steht damit selbst dann, wenn er auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats einen Flug angetreten hat, der verspätete Teilflug selbst jedoch nicht in einem Mitgliedstaat gestartet ist, ein Ausgleichsanspruch zu.

Im Ergebnis bleibt der EuGH seiner konsumentenfreundlichen Spruchpraxis und der extensiven Auslegung des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) 261/2004 treu. Auch wenn das Urteil folglich in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung steht, stimmt es nicht nur Airline Vertreter bedenklich. Dem Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung unterliegen demnach auch Luftfahrtunternehmen, die nicht am europäischen Markt aktiv sind und auf die Kombination ihrer Flüge durch Reisebüros faktisch keinen Einfluss nehmen können.

(EuGH 06.10.2022, C 436/21)

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