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Mag. Katharina Kuenburg
Der OGH hat sich mittlerweile in zahlreichen Individual- und Verbandsprozessen mit der Klauselkontrolle bei Wohnungsmietverträgen befasst.
Im Verbandsprozess zu GZ 8Ob6/24a vom 22.03.2024 wurde unter anderem eine AGB-Klausel für Wohnungsmietverträge im MRG-Teilanwendungsbereich, wonach der Mieter zur Reparatur und Rückstellung von Elektrogeräten wie E-Herd, Geschirrspüler und Kühlschrank in funktionsfähigem Zustand verpflichtet wurde, als unwirksam qualifiziert.
In seiner Entscheidung hat der OGH eine generelle Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, ohne dafür ein entsprechendes Äquivalent zu gewähren, als sachlich nicht gerechtfertigte Abweichung vom dispositiven Recht (§ 1096 ABGB, §§ 3 und 8 MRG) gewertet und als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und daher nichtig angesehen.
Es gibt zwar durchaus Rechtsprechung, wonach eine teilweise Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter zulässig ist, solange nicht der Kernbereich der Erhaltungspflichten des Vermieters betroffen oder die Gesundheit gefährdet ist, aber auch hier gilt der Grundsatz, dass jedes Abweichen von dispositivem Recht im Rahmen der Prüfung nach § 879 Abs 3 ABGB einer sachlichen Rechtfertigung bedarf.
Sohin ist auch eine teilweise Überwälzung der Erhaltungspflicht auf den Mieter im MRG-Teilanwendungsbereich gemäß § 879 Abs 3 ABGB wegen gröblicher Benachteiligung unwirksam, wenn eine sachliche Rechtfertigung (etwa durch Anrechnung auf den Mietzins) fehlt.
Mag.ᵃ Domnica Zamfirescu
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 9. April 2024 in einem bahnbrechenden Urteil zugunsten des Vereins "KlimaSeniorinnen Schweiz" entschieden. Zum ersten Mal erkannte das Gericht den Klimawandel als Menschenrechtsproblem an. Beachtlich war auch die positive Entscheidung der Zulässigkeit der Vereinsklage. Zwei weitere Klimaklagen gegen Frankreich und mehrere europäische Staaten wurden jedoch als unzulässig zurückgewiesen.
Vier ältere Frauen und der Verein „KlimaSeniorinnen Schweiz“ klagten gegen die Schweiz. Sie argumentierten, dass die unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen der Schweiz ihre Grundrechte auf Leben (Art 2 EMRK) und Privatleben (Art 8 EMRK) gefährden. Aufgrund der Erderwärmung fühlten sich die Klägerinnen in ihrer Gesundheit und ihren Lebensbedingungen bedroht. Weiters machten sie eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art 6 und Art 13 EMRK) geltend.
Das Gericht erkannte, dass der Schutz vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels in den Aufgabenbereich der Staaten fällt. Staaten müssen Regelungen erlassen und umsetzen, um den Klimawandel zu mindern und die Rechte ihrer Bürger zu schützen (Zielzeitplan für Klimaneutralität und CO2-Budget, Treibhausgasreduktionsziele, Einhaltung der Ziele, Zugang zu Informationen und Rechtschutz). Die Schweiz sei diesen Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen und habe daher ihren Ermessensspielraum überschritten. Das Urteil betonte auch die Bedeutung des Rechts auf ein faires Verfahren. Die Schweizer Gerichte hätten sich nicht ernsthaft mit der Klage des Vereins befasst und damit das Recht auf Zugang zu einem Gericht verletzt.
Nach Art 46 EMRK bindet das EGMR-Urteil die beklagte Schweiz, welche die Verletzung einzustellen hat und notwendige Maßnahmen setzen muss, wobei ihr dafür ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wurde. Weiters konkretisiert der EGMR mit seinem Urteil in allgemeiner Geltung den Gehalt der EMRK-Grundrechte, die in Österreich im Verfassungsrang stehen - insbesondere des Rechtes auf Privatleben sowie des Rechtes auf ein faires Verfahren. Die EMRK ist außerdem die wesentliche Grundlage für die Auslegung der EU-Grundrechtecharta und bindet auch den Unionsgesetzgeber (vgl Art 52 Abs 3 GRC).
Mag. Thomas Ukowitz
In zwei aktuellen fluggastrechtlichen Entscheidungen hatte sich der EuGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Entdeckung eines versteckten Konstruktionsfehlers am Triebwerk eines Flugzeugs bzw einer neuartigen technischen Störung bei der Treibstoffanzeige unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr 261/2004 (EU-Fluggastrechteverordnung) fällt. Im einen Fall wurde das Luftfahrtunternehmen vom Hersteller des Triebwerks mehrere Monate vor dem betreffenden Flug über das Vorliegen eines derartigen Fehlers informiert; im anderen hat der Hersteller des Flugzeugs erst nach der Annullierung des Fluges anerkannt, dass die Störung durch einen versteckten Konstruktionsfehler verursacht wurde.
Zunächst stellt der Gerichtshof klar, dass technische Störungen nur dann außergewöhnliche Umstände bedeuten können, wenn diese ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind.
Mag. Katja Androsch-Lugbauer
Mit der Frage, ob das Ausscheiden eines Unternehmers aus dem Vergabeverfahren auf Basis eines vorliegenden Abschlussberichts des Bundesamts für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) zulässig sei, setzte sich der VwGH in der vorliegenden Entscheidung VwGH Ro 2020/04/0019-6 vom 14. November 2023 auseinander.
Die mitbeteiligte Partei führte als öffentliche Sektorenauftraggeberin ein offenes Verfahren im Unterschwellenbereich zur Vergabe eines Bauauftrages betreffend die Auswechslung von Wasserrohren in einem näher genannten Bereich öffentlicher Straßen in Wien nach dem Billigstbieterprinzip durch.
Das Angebot der Revisionswerberin wurde mit Ausscheidensentscheidung vom 13. Dezember 2019 ausgeschieden. Dies wurde damit begründet, dass die Revisionswerberin etwa durch den systemischen Einsatz anderer Unternehmen zur Legung von abgesprochenen Schein- bzw Deckungsangeboten eine schwere berufliche Verfehlung zulasten der mitbeteiligten Partei begangen habe, wogegen die Revisionswerberin die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung mit der Argumentation, dass das bloße Vorliegen eines Abschlussberichts keine ausreichende Grundlage zum Ausschluss eines Bieters sei, beantrage. Weiters führte die Revisionswerberin aus, dass Maßnahmen zur Glaubhaftmachung der Zuverlässigkeit gesetzt wurden.
Das Verwaltungsgericht Wien wies diesen Nachprüfungsantrag ab, ließ aber die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur Rechtsfrage, wann das „betreffende Ereignis“ anzusetzen sei, welches den Sektorenauftraggeber zum Ausschluss des betreffenden Unternehmens für einen Zeitraum von höchstens 3 Jahren gem § 254 Abs. 5 Z 2 BVergG 2018 berechtige, zu. Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes iSd § 249 Abs 2 Z 4 BVergG 2018 wurde in der Revision nicht mehr bestritten.
Mag. Thomas Ukowitz
Mit einer der jüngsten fluggastrechtlichen Entscheidungen schiebt der EuGH einer allzu passagierfreundlichen Auslegung der Verordnung (EG) Nr 261/2004 (EU-Fluggastrechteverordnung) einen Riegel vor und trifft wegweisende Klarstellungen zum Ausgleichsanspruch in Folge einer Flugverspätung.
Die Entscheidung fußt darauf, dass ein Fluggast vom ausführenden Luftfahrtunternehmen darüber informiert wurde, dass sein Flug erheblich verspätet sein wird. Aufgrund dessen befürchtete der Fluggast, einen Geschäftstermin zu verpassen. Der Fluggast buchte daraufhin selbst einen Ersatzflug, um den Termin wahrzunehmen. Dank dieses Ersatzflugs erreichte er sein Ziel schließlich mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden.
Ausgehend davon wandte sich der deutsche Bundesgerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens mit der Frage an den EuGH, ob Fluggästen in derartigen Konstellationen ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung zusteht.
Der Gerichtshof stellte zunächst klar, dass Fluggäste nicht nur bei Annullierung eines Fluges, sondern auch dann, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch geltend machen können. Dies vor dem Hintergrund, dass die Fluggäste in beiden Fällen einen Schaden erleiden, der in einem irreversiblen Zeitverlust besteht und der nur durch eine Ausgleichszahlung ersetzt werden kann.
Mag. Thomas Ukowitz
Mit seinem Erkenntnis vom 21.12.2023, welches kürzlich im RIS veröffentlicht wurde, trifft der Verwaltungsgerichtshof wegweisende Klarstellungen zur Einzelfallprüfung betreffend die Kumulierung der Auswirkungen nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G).
Das UVP-G normiert, dass die Behörde im Einzelfall festzustellen hat, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, sofern das Vorhaben alleine zwar nicht die maßgeblichen Schwellenwerte erreicht, mit anderen Vorhaben gemeinsam allerdings schon. Für die Kumulierung sind nach dem Gesetz andere gleichartige und in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben zu berücksichtigen. Was mit der Wendung „gleichartige Vorhaben“ gemeint ist, lässt das UVP-G offen.
Unter Verweis auf seine Vorrechtsprechung sowie die Rechtsprechung des EuGH stellt der VwGH vor diesem Hintergrund klar, dass die Einzelfallprüfung nicht auf betreffend das zu prüfende Vorhaben und nach dem maßgeblichen Tatbestand des Anhangs 1 zum UVP-G gleichartige Projekte einzuschränken ist. Es reicht, so der VwGH auf den konkreten Fall bezugnehmend, nicht aus, wenn die Einzelfallprüfung hinsichtlich eines Hotelvorhabens (UVP-Tatbestand Beherbergungsbetrieb) lediglich auf Grundlage der Kumulierung der Auswirkungen bloß anderer Hotelvorhaben, die ebenso unter den UVP-Tatbestand Beherbergungsbetrieb fallen, basiert. Vielmehr sind grundsätzlich Vorhaben zu berücksichtigen, die insofern schutzgutbezogen im räumlichen Zusammenhang mit dem zu prüfenden Vorhaben stehen, als Wechselwirkungen ihrer Auswirkungen mit den Auswirkungen des zu prüfenden Vorhabens auf einzelne Schutzgüter im für die Umwelt erheblichen Ausmaß nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Der VwGH fordert daher im Ergebnis, um auf das konkrete Beispiel zurückzukommen, dass die Umweltauswirkungen zB eines Hotelprojekts potentiell auch mit jenen eines räumlich zusammenhängenden Straßenbauvorhabens betrachtet werden müssen. Einer allzu engen Auslegung der Wendung „gleichartige Vorhaben“ erteilt der Gerichtshof somit eine deutliche Absage.
Spannend bleibt, wie Behörden und Verwaltungsgerichte auf die Entscheidung reagieren werden. Dies werden die kommenden Verfahren zeigen.
Mag. Georg Schwarzmann
In der brandaktuellen Entscheidung zu C-76/23 setzt sich der EuGH mit den vieldiskutierten Erstattungsmodaltäten von Ticketkosten im Fall einer Flugannullierung auseinander. Die Modalitäten für die Erbringung der fluggastrechtlichen Ausgleichsleistung sowie Erstattung von Ticketkosten werden in Art 7 Abs 3 VO (EG) 261/2004 definiert. Demnach ist die Leistung grundsätzlich durch Barzahlung oder Überweisung zu erbringen. Die Auszahlung in Form von Reisegutscheinen setzt hingegen das schriftliche Einverständnis des Fluggastes voraus.
Zahlreiche Luftfahrtunternehmen bieten ihren Kunden die Möglichkeit, die Erstattung der Ticketkosten online zu beantragen und dabei eine Auswahl hinsichtlich der Erstattungsmodalitäten zu treffen. Als Anreiz für die Erstattung in Form von Reisegutscheinen wird regelmäßig ein Zuschlag auf den ursprünglich geleisteten Flugpreis – sprich ein höherer Gutscheinwert – angeboten.
Während die zuletzt genannte Praktik aus rechtlicher Perspektive unproblematisch erscheint, stellte sich im gegenständlichen Verfahren die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Kriterium des „schriftlichen Einverständnisses“ zur Erstattung in Gutscheinform entsprochen wird. Dieser Frage kommt insbesondere aufgrund der in diesem Punkt divergierenden sprachlichen Fassungen der Fluggastrechteverordnung eine nicht zu unterschätzende Komplexität zu. Während in der deutschen und einigen anderen Sprachfassungen lediglich von „schriftlichem Einverständnis“ die Rede ist, stellen andere Fassungen auf ein „vom Fluggast unterzeichnetes Einverständnis“ ab.
Der Gerichtshof hat diese rechtliche Problematik erfreulicherweise pragmatisch und unter Berücksichtigung der allgemeinen Zielsetzung der VO (EG) 261/2004, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und Unannehmlichkeiten weitestgehend zu verhindern, gelöst. Eine online abgegebene Zustimmung zur Erstattung der Ticketkosten in Gutscheinform ist demnach wirksam, sofern dem Fluggast während des Erstattungsprozesses klare und umfassende Informationen über die verschiedenen Erstattungsmodalitäten zur Verfügung gestellt wurden, sodass er eine zweckdienliche und informierte Wahl treffen konnte.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat am 8. August 2024 das Erkenntnis des...
Der Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden VwGH) hat am 16. Juni 2024, Ra 2023/03/0140, eine...
Am 19.07.2024 wurde die Novelle des Eisenbahngesetzes 1957 (EisbG) kundgemacht. Die wesentlichen Neuerungen...
In diesem Urteil setzte sich der EuGH mit der Auslegung der Richtlinie über Industrieemissionen...